von Torsten Kurschus
Wieder einmal ist der Rubel im Keller, so unterirdisch wie die Rohstoffe, auf denen er fußt.
Dass der Rubel so schwach ist, weil er am niedrigen Ölpreis zu kleben scheint, birgt auf den ersten Blick viele Vorteile für das Land – auch wenn die Menschen dort das sicher anders sehen. Da Importe sehr viel teurer werden, gibt es die Orientierung auf eigene Produkte, was für die Landwirtschaft und Teile des Maschinenbaus und einige andere Industriezweige ein Segen sein kann, wenn die Nachfrage auf inländische Produkte ausweicht. Das könnte gerade im russischen Maschinenbau und der chemischen Industrie längst überfällige Innovationen fördern und ebensolche zivilen Projekte zumindest für den eigenen Markt befähigen. Beispielhaft sei der am Moskauer Sparc-Center entwickelte 8-Core Elbrus-Prozessor genannt, der zwar mit keinem Intel/AMD/Sun-Gegenstück konkurrieren kann, aber für die Verwaltung und den Hausgebrauch völlig ausreicht. Damit ist die Abhängigkeit vom westlichen Markt geringer geworden und kann nun mehr Drive entfalten, so die heimische Verwaltung modernisieren helfen.
Ähnliches gilt für die Tourismusindustrie, die von der erzwungenen Binnenorientierung profitieren könnte. Aber – wer will heute schon auf der Krim Urlaub machen? Die Nachfrage ist gleich Null. Und dieses gilt auch für den Export. Außer Waffen gibt es kaum exportfähige Produkte. Selbst Yotaphone, EL-Lada und die in Russland produzierten Passagierflugzeuge und Schiffe haben es auf dem Weltmarkt schwer. Gäbe es da etwas, was nur im Ansatz international gefragt wäre, könnte die Währungsschwäche dazu beitragen, Russland zu konsolidieren – so wie dieses in anderen Billiglohnländern der gängige Weg ist. Russland – ein Billiglohnland? Mit dem russischen Selbstverständnis ist diese Vorstellung kaum zu vereinbaren.
Das Bargeld geht aus
Ein weiteres, fundamentales Problem ist das drastische Schrumpfen der Währungsreserven. In Kombination mit der enormen Korruption steht hier ein Block der Unbeweglichkeit, der jede Investition und Innovation verhindert. Verstärkt wird der so erzeugte Niedergang durch den nicht zu unterschätzenden Kapitalabfluss. Er zeigt nicht nur auf dem Konsumentenmarkt verheerende Wirkungen.
Das wird sich nicht ändern, und die Oberschicht will ihre hart und sauer erklauten Dollar eben genau dort ausgeben, wo die staunende Welt zuschauen kann. Und nicht in einem wenig mondänen, russischen Pseudo-San-Trop unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit. Denn zu schweigen von den Oligarchen, sind es vor allem die Oligarchengattinnen und -gespielinnen, die alles andere als auf das russische Inland fixiert sind.
Es ist abzuwarten, wie lange Russlands Währungsreserven noch reichen, um die Scharade aufrecht zu erhalten. Offensichtlich ist die Lage deutlich dramatischer als Russland es glauben lässt. Um mindestens 200 Mrd. Dollar sind die Währungsreserven seit dem Krim-Abenteuer gesunken – und sie sinken kontinuierlich weiter. Kurzfristige Erholungen bleiben trendgebunden und sind temporäre Ausreißer. Der aktuelle Stand im Herbst 2015 liegt bei noch 313 Mrd. Dollar. Zum Vergleich: Die Währungsreserven der Bundesrepublik liegen bei knapp 200 Mrd. Dollar. Statt die früher gigantischen Reserven von über 500 Mrd. Dollar für eine grundsätzliche Modernisierung auszugeben hat Putin versucht, mit den Summen, die seine Klauwirtschaft übrig gelassen hat, Weltwährungsmacht zu spielen. Und ist gescheitert. Bezeichnend ist, dass das russische Lewka–Kreditkartensystem, das nach dem Gesetz „Über das nationale Zahlungssystem“ von 2015 im Binnenland verpflichtend ist, zwar als ernster Angriff auf Master und Visa gesehen werden kann, doch lässt selbst eine bezielte Kooperation etwa mit CUP (China) und JCB (Japan) die russischen Kunden in der westlichen Welt nicht autarker werden.
Auch langfristig wird die Einkunftsseite Russlands nicht besser werden. So ist der Iran zurück auf der internationalen Bühne des Energieumschlags und wird künftig noch mehr Öl exportieren – mehr als selbst der OPEC lieb ist. Falls es im arabischen Raum in den nächsten Jahren eine Konsolidierung geben sollte, wird die Lage noch dramatischer und lässt einen weiteren Preisverfall erahnen, der nur künstlich oder mit Einsatz von Gewalt gestoppt werden kann. Russland setzt nun strategisch auf die Erderwärmung und damit auf Rohstoff-Felder in den Weiten Sibiriens, die es hofft im derzeitigen Permafrostboden ausbeuten zu können. Ein weiteres Feld des Kampfes um Rohstoffe ist die arktische Zone – er hat längst mit harten Bandagen begonnen.
Man stelle sich dabei vor, was dieses für die Weltwirtschaft und die planetare ökologische Situation bedeutet. Die dann noch tieferen Preise der Rohstoffe konkurrieren schon seit Jahren in einzigartiger Weise gegen Zukunftstechnologien und Fracking, was nicht nur die Preisschraube weiter nach unten dreht, sondern geradezu zum Verschleudern der Ressourcen an Energiehunger-Nationen wie China und Indien einlädt. Das sind keine guten Aussichten – nicht für Russland und nicht für die anderen Staaten dieses kleinen Planeten Erde. Ganz abgesehen von der in jeder Hinsicht ernst gemeinten militärischen Drohung Russlands an die arktischen Anrainerstaaten.
China – vom Partner zum Angstgegner
Russland wird alle verfügbaren Mitteln einsetzten um seine Militärwirtschaft als Geldquelle voranzutreiben. Der Kampfpanzer T-14 Armata und der Luftüberlegenheitsjäger Suchoi T-50 müssen dringend einsatz- und marktfähig gemacht werden. Das würde schnelles Geld bringen und Russland im globalen Spiel noch einmal zumindest zeitweise auf dem Weltwaffenmarkt nach vorn katapultieren. Aber: Der T-14 ist aller Propaganda zum Trotz noch nicht einmal bis zur Einsatzfähigkeit entwickelt, geschweige denn auf seine Funktion ernsthaft getestet. Da fehlen locker fünf bis acht Jahre – und gebaut werden müssen nicht nur der Panzer, sondern vor allem seine Produktionsanlagen auch erst einmal.
Der Suchoi T-50 Jäger ist derart spezialisiert, dass er angesichts der ausgereiften F-22 der amerikanischen Konkurrenz trotz bester Tarnkappeneigenschaften kaum auf Kundschaft hoffen darf. Denn für den Bodeneinsatz, wie der Allzweckabfangjäger F-35 oder der Eurofighter, ist dieser Flieger nicht geeignet und muss für den internationalen Markt erst neu konzipiert werden. Das braucht selbst in einer gelenkten Marktwirtschaft Jahre. China dürfte daher als ursprünglich bezielter Kunde ausfallen. Die seinerzeit verkaufte Totalkonversion des russischen T-15 in den chinesischen Stealthfighter Chengdu J20 ruft übrigens noch heute im Kreml Übelkeit hervor. Ähnliches gilt für die Raumfahrtträgerrakete Chang Zheng und des Raumfahrtmodul Shenzhou 7. Sie sind allesamt Kopien des Sojus-Programmes – und man hätte nach den T-15-Erfahrungen wissen müssen, wie China funktioniert. Nun hat Russland – allen offiziellen Freundschaftsbekundungen zum Trotz – vor China reale Angst – berechtigte Angst.
Verpulverte Investitionen
2007 wurde in Russland ein Investitionsprogramm für die Entwicklung der zivilen Luftfahrt beschlossen. Investitionsvolumen über 250 Mrd. Dollar. Eine schier unvorstellbare Summe für ein am Ende festzustellendes Nullergebnis. Der „Superjet“ 100 (Suchoi) fliegt nach seinem Crash bis heute nicht mehr regulär und liegt wie Blei in den Verkaufsregalen.
Wollte Russland endlich die unverzichtbaren Investitionen in die Erweiterung der Verkehrs- und IT-Infrastuktur anschieben, um endlich auch die eigenen Binnenregionen leistungsfähig anzuschließen, wären auch hier geschätzte 100 Mrd. Dollar notwendig. Um die Leistungsfähigkeit der Regionen dann als Pferdestärken auf die Straße zu bringen, wären weitere Milliarden aufzubringen.
Der Militärkomplex
Russlands industrieller Schwerpunkt liegt seit Sowjetzeiten im sogenannten militärisch-industriellen Komplex. Militärstrategisch betrachtet benötigt Russland in seiner Offensivstrategie dringend eine Seeoffensivwaffe, wie sie die zwei nun von Frankreich nicht gelieferten Hubschrauberträger Mistral sein sollten. Zwar verfügt Russland über deren Baupläne – zum Bau aber ist es gegenwärtig nicht fähig. Hinzu kommt die dringend notwendige Umrüstung von Teilen der russischen strategischen U-Boot-Flotte und nicht zuletzt der Aufbau eines eigenen Satellitennavigationssystems, denn die Abhängigkeit vom amerikanischen GPS ist den Russen nur allzu gegenwärtig und das im Entstehen befindliche, europäische Galileo-System angesichts Russlands Globalstrategie keine Option.
Im Krieg der schon gegenwärtigen Zukunft, dem Cyberwar, muss Russland ebenfalls noch viel investieren, um Anschluss an die Technologien der USA, Israels und Chinas zu finden.
Im Syrien-Abenteuer würde Russland gern seine letzte externe Militärbasis in Tartus ausbauen. Um an seiner Offensiv-Fähigkeit und -Bereitschaft keine Zweifel aufkommen zu lassen, stehen weitere externe Basen bei Verteidigungsminsiter Schoigu ebenso ganz oben auf der Wunschliste wie künftige, externe Militäroperationen in den bestehenden oder zu schaffenden Krisenregionen dieser Welt. Da wäre es natürlich schon aus Prestigegründen wünschenswert, den Suchoi-SuperJet100 endlich zuverlässig in die Luft zu bringen – woran trotz immer knapper werdender Mittel fieberhaft gearbeitet wird.
Doch damit ist abgesehen von unbedeutenden Kleinprojekten der Rahmen der Möglichkeiten der russischen Volkswirtschaft, substanzielle wirtschaftliche Erfolge zu erzielen, erschöpft. Nicht nur deshalb hat der auch in diesem Beitrag überproportioniert erscheinende Militärisch-Industrielle-Komplex in Russlands Wirtschaft tatsächlich nicht nur in der Wahrnehmung des Kremls, sondern tatsächlich diese überbordende Bedeutung. Russland ist ein Militärstaat, der durch, von und für das Militär existiert. Mit Ausnahme jener kurzen Phase Jelzinscher Marktöffnung hat sich daran seit Sowjetzeiten nichts geändert.
Für Innovationen in die Zivilwirtschaft bleibt kein Platz. Nicht nur, weil Russland zu schwach ist oder zu wenig Ressourcen hätte, sondern einfach, weil es zu keinem Zeitpunkt über das verfügt hätte, was unter Innovationsklima verstanden wird. Rusland hat nicht nur nichts, das attraktiv genug wäre, um kreative Geister und verrückte Köpfe, die etwa das große Google-Glück genießen, anziehen zu können und zu halten. Statt dessen findet der Brain-Drain unaufhörlich statt. Denn Ideen kann man eben nicht befehlen – die Gedanken sind frei. Auch jene der leider zu wenigen russischen Kreativen – etwas, das der KGB-Mann Putin nie begriffen hat und nie begreifen wird.
Russlands Ende der Fahnenstange
Wollte Russland allein die militärischen Projekte seiner Ambitionen realisieren, würde dieses die russischen Devisenreserven erschöpfen, bevor es zu tragfähigen Ergebnisse käme, die der Regierung oder gar der Gesellschaft zu mehr nutzen als zu Potemkinschen Dörfern.
Legt man den globalen Anspruch Russland zu Grunde, wie er durch offizielle Verlautbarungen des Kreml und nahestehender Medien wie Dmitri Kisseljow von Rossija1 definiert wird, und orientiert man sich an Vergleichsprojekten aus der westlichen Welt wie F35, Mistral und ähnlichem, so liegt der unmittelbare Bedarf Russlands, um seine Investitionswünsche zu realisieren, bei weit über 600 Mrd. Dollar. Hierbei sind die technischen Erschließungskosten etwa Sibiriens und der Tundra sowie des arktischen Raumes noch nicht berücksichtigt. Diese sind locker auf weitere, mehrere hundert Milliarden Dollar zu veranschlagen, sodass wir uns einem unvorstellbare Finanzmittelbedarf von bald einer Billion US-Dollar nähern.
Für die USA oder selbst China wären solche Beträge noch leistbar, obwohl beide Länder selbst unter heftigem Finanzdruck stehen. Die USA immerhin könnten mit dem Bonus der auf seine Produktivität bezogenen Kreditwürdigkeit solch eine Aufbauleistung in etwa 20 Jahren stemmen. Zur Erinnerung: Deutschland hat etwa diese Summe für die deutsche Wiedervereinigung in vergleichbarer Zeit geleistet (wobei die damals vereinbarten Milliardenzahlungen an Sowjet-Russland nicht eingeschlossen sind). Und während es Länder wie Polen und die baltischen Staaten geschafft haben, in der knallharten westlichen Wirtschaft erfolgreich anzukommen, schafft es Russland bis heute nicht, seine wirtschaftlichen Chancen und Möglichkeiten wahrzunehmen.
Die Russische Stagnation basiert auf seiner schon im Binnenfluss verankerten, irrationalen Wahrnehmung seiner selbst in Medien, die kein schnelles Internet benötigen, weil die kyrillisch-sprachige (russisch-niederländische) Suchmaschine Yandex (ein Mix aus dem russischen „Ja“= „ich“ und „index“) genau die Ergebnisse ausspuckt, die erwartet werden. Währenddessen ideologisiert sich die dumm gehaltene russische Jugend wie zu Sowjetzeiten in Freund-Feind- und Schwarz-Weiß-Malerei, organisiert Hexenjagden, die selbst die Inquisition nicht geduldet hätte. So entwickeln sich Ideologien, nicht aber gesellschaftliche Ideen, die ein Land wirtschaftlich und gesellschaftlich voran bringen.
Der russische Savant einer irrealen Scheinrealität
Russland hat die Welt nie verstanden. Aber es ist Meister darin, sich darüber zu beschweren, dass die Welt es nicht versteht oder verstehen will.
Die russischen Antworten liegen heute in den Dugin-gerechten „Lehrbüchern“, die unkritisch Bilder einer unwirklichen, niemals gewesenen Vergangenheit episch aufleben lassen. Fortschritt als menschliches Streben und technologisches Weiterkommen hat in dieser Welt aus national überhöhter Mystik keinen Platz und keinen Wert.
Da es deshalb mehr als unwahrscheinlich ist, dass Russland auch nur einen winzigen Schritt in Richtung einer progressiven zivilisatorischen und kulturellen Entwicklung voran kommt, pflegt es nicht nur verbal mit liebevollem Stolz seine Atomwaffen. Es ist mittlerweile naheliegend, dass dieser Umstand zu einer mentalen Fokussierung des in jeder Hinsicht schwächelnden Riesenlandes geführt hat, die eine über sich selbst hinaus gehende Weltsicht vermissen lässt und mit dieser Binnenwahrnehmung vorbei an jeder Realität das eigene Volk infiziert.
Die Rohstoffabhängigkeit wird sich dabei ebenso wenig ändern wie sich die russische Produktivität in den letzten Jahren verbessert hat. Deshalb wird es selbst dann, wenn der Rubel kurzfristige Erholungspausen einlegt, keine strukturellen Veränderungen oder Verbesserungen geben. Das fundamentale Strukturproblem wird nicht gelöst werden, sondern weiter kumulierende Probleme erzeugen, während die Weltwirtschaft gemessen am BIP Russland weiter davon läuft. Inzwischen liegt der Rückgang des russischen Bruttoinlandsprodukts bei 3,8 Prozent. Trotz der Absenkung des Leitzinses zu Anfang dieses Jahres konnte nicht verhindert werden, dass die Inflationsrate permanent ansteigt. Kalkuliert waren 14 Prozent – jetzt liegt sie bereits bei über 17 Prozent. Das ist mehr als eine kalte Enteignung. Das ist ein Indikator für ein allumfassendes Staatsversagen, wie es sonst nur Krisenstaaten bescheinigt wird. Zwar hatte die russische Regierung 2014 noch mit deutlichen Steuervergünstigungen, erheblichen staatlichen Stützungen für Großkonzerne und mit massiven Rubelkäufen durch die Staatsbank ohne Erfolg versucht, diesen Umstand abzuwehren – doch erfolglos, wie die aktuellen Zahlen belegen.
Wollte Putin, wollte Russland seinen Weg in den failed state abwenden, müsste sich das Land ein gigantisches Refomkonzept auferlegen, das nicht nur auf der von Putin vollmundig angekündigten Diktatur des Rechts basierte, sondern auch die zahlreichen Demokratiedefizite, die im Investitionsklimaindex eingepreist sind, etwas auffangen können. Davon aber ist die Realität weit entfernt und der Wille zur Veränderung der Zivilgesellschaft ist weder gewollt noch stünde er gar in Aussicht. Dieses im Einzelnen zu beschreiben überspannte den hier gesteckten Rahmen, doch sollen einige Punkte skizziert werden.
- Die Durchsetzung des Rechtsstaats mit einer umfassenden Rechts- und Gerichtsreform sowie die Neubesetzung der Gerichte (wie auch immer das geregelt wird – da lassen sich Anleihen bei anderen ehemals sozialistischen Staaten wie Polen nehmen) und einer verbindlichen Appellationsmöglichkeit bei internationalen Gerichten.
- Die Korruptionsbekämpfung durch autonome, parlamentarisch und außerparlamentarisch kontrollierte Gremien.
- Eine für das gesamte Land verbindliche Verwaltungsreform mit dem Ziel der Verbindlichkeit von Aussagen, Verfahrensabläufen und Modernisierung auf elektronischer Basis mit Prozessverfolgung und dem absoluten Ziel Bürokratieabbau und Schaffung von Transparenz aller Verwaltungsprozesse.
- Die Entwicklung der Schlüsselindustrien als Wachstumsmotor ohne dauerhafte Subventionierung, vorrangig
– Telekommunikations- und iTechnologien
– Land- und Forstwirtschaft mit global wachsender Bedeutung
– Zivile Luftfahrtindustrie (Suchoi , Tupulev und Iljuschin)
– Investition in die Rohstofferschließung
– Wertschöpfung nach der Gewinnung mineralischer Rohstoffe durch Veredelung
– Life und Health Sciences sowie Health Economy und damit verbunden
– Chemische Industrie über den Grundlagenbereich hinaus
– Logistik im Luft- und maritimen Transportwesen als Drehscheiben bis hinein in das arktische Areal. - Energetik wird im Kraftwerksbau von Nuklearanlagen ein ausbaufähiges Thema bleiben. Dazu müssten erwartet 50-100 Milliarden investiert werden, um das notwendige Know-how in das Land zu holen und zu verhindern, dass das Geld in Bürokratie und Management versickert, sondern tatsächlich bei den Projekten ankommt.
- Die Entflechtung von Militär- und Staatsindustrie.
- Ein Freihandelsabkommen mit der EU.
- Die Harmonisierung von Hochschul-Curricula und Abschlüssen zur gegenseitigen Anerkennung zumindest innerhalb Europas und damit auch ein zivilgesellschaftlich orientiertes Schulprogramm mit einer undogmatischen und unideologisierten Schulbildung auch im geisteswissenschaftlichen Bereich.
Fazit
Der Gesamtzustand Russlands befindet sich ökonomisch in einer mehr als kritischen Situation. Das Schwinden der Währungsreserven, fehlende Innovation und Produktivität, Kapitalabfluss, Brain-Drain und verfallende Rohstoffpreise und eben auch eine aliberale politische Kultur lassen vorerst keine Besserung erwarten. Gleichzeitig beschädigt der Infrastrukturstau und die Vereinseitigung der politischen Ideenlehre die Attraktivität des Landes zunehmend weiter. Letztlich ist auch die Währungsstärke an die vermutete und erwartete Produktivität eines Landes gekoppelt, was zwangsläufig dann in eine kritische Situation führt, wenn wie in Russland der Wirtschaftsfaktor der Urproduktion eine derart übermächtige Rolle spielt.
Da eine Reformagenda gerade auf den Säulen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsfreiheit und prozessorientierter Verwaltungsoptimierung basieren muss, sind Zweifel berechtigt, dass die aufgezeigten Ziele einer unverzichtbaren Agenda auch nur ansatzweise angegangen werden können. Dieses liegt vorrangig darin begründet, dass die dort agierenden Kräfte fest zum System Putins gehören, welches sich damit selbst enthaupten müsste. Russland wird dennoch weder durch wirtschaftliche noch durch militärische Sanktionen kollabieren. Dazu ist das Land zu groß und die Duldungsfähigkeit der Menschen ist derart leidgeprüft, um nicht immer weiter getrieben werden zu können.
Weil das Land immer unattraktiver für Ideen und kreative Gedanken wird, wird Russland mit dem Sytem Putin den Anschluss an die Weltspitze nicht schaffen. Auch steht nicht zu erwarten, dass Russland den erneuten Sprung von der Diktatur zur Zivilgesellschaft über die Konversion von der Militär- zur Zivilwirtschaft schaffen kann, solange das System Putin besteht. Ursachen dafür sind neben der Putinschen Kleptokratie die gezielte Polarisierung der Gesellschaft.
Dabei hätte das heutige Russland alle Chancen, sich in seiner Situation neu aufzustellen, wenn es sich als Entwicklungsland begreift, dem niedrige Rohstoffpreise und Währungsstand sowie eine zwar korrupte, aber strikt organisierte Verwaltung ohne wahrnehmbare politische Opposition alle Chancen böten, die Runderneuerung zu wagen. Russland aber wird diese Chancen nicht nutzen können, weil es den Stellenwert seines Selbstbildes und seines Selbstverständnisses höher stellt als das Wohl von Land und Volk. Und weil sich die Oligarchen und die Putingetreuen mit jeder dieser notwendigen Reformen, die Russlands Zukunftsfähigkeit verbessern könnten, nach ihrem Selbsterleben selbst beraubten. So steht sich Russland mit seinem Putin-gesteuerten Kreml selbst im Weg zu einer Zukunft, in der Russland endlich nicht nur zeigen könnte, zu was es in der Lage ist, sondern auch ein geachteter und gleichberechtigter Partner der anderen Nationen dieser Welt werden könnte – etwas, das nach 1990 auf die Schiene gesetzt zu sein schien und das die Altkader des KGB mit ihrem scheindemokratischen Frontmann Putin radikal zum Entgleisen gebracht haben.
Auf Basis einer Erstveröffentlichung bei HaOlam am 24. 10. 2015
Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf folgende Beiträge:
https://tomasspahn.wordpress.com/2014/05/08/faschismustheorie-und-der-faschistische-totalitarismus/
https://tomasspahn.wordpress.com/2014/04/01/putins-ungewolltes-signal-an-das-reich-der-mitte/
https://tomasspahn.wordpress.com/2014/03/04/putin-mensch-und-macht-psychogramm-eines-strasenjungen/